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Österreichs Hauptstadt diskutiert über Verkehrsberuhigung im ersten Bezirk
Wird Wiens Zentrum bald „autofrei“?
Der erste Bezirk in Wien: Hier gibt es die große Fußgängerzone rund um den Stephansdom – aber auch dichten Verkehr. Die Autos drängen sich auf der Ringstraße und in den kleinen Gassen, die sich durch die Altstadt ziehen. Kein Parkplatz ist frei.
Weniger Fahrzeuge – das fänden viele hier gut. „Ich bin absolut dafür“, sagt eine Frau, die zum Einkaufen ins Zentrum gekommen ist. „Man hat gute Anbindungen in die Stadt mit öffentlichen Verkehrsmitteln.“ Etwas weiter stellt ein Rechtsanwalt gerade sein Fahrrad vor seiner Kanzlei ab: „Ich lasse das Auto für den innerstädtischen Verkehr sowieso stehen.“ „Wer möchte schon verstopfte Straßen haben“, meint ein Mann, der im Bezirk wohnt und arbeitet. Und auch eine Angestellte, die täglich ins Büro in der Innenstadt muss, betont: „Ich will keinen Parkplatz suchen. Ich fahre öffentlich.“
„Eine historische Entscheidung“
Über den Ring rund um die Altstadt dürfen die Autos zwar auch weiterhin rollen. Aber Abbiegen Richtung Zentrum soll bald grundsätzlich verboten sein. Es wurde Zeit, sagt Verkehrsstadträtin Birgit Hebein von den Grünen: Sie will Wien zur „ersten autofreien Stadt im deutschsprachigen Raum“ machen. Nach langen Verhandlungen hat sie ihr Projekt nun der Öffentlichkeit präsentiert: „Ich finde, das ist eine historische Entscheidung. Wer, wenn nicht Wien, schafft das?“
Hebein verweist auf die Zahl von 50.000 Autos, die täglich in die Stadt hinein und wieder hinaus fahren. Weniger Abgase seien gut für die Gesundheit und gut für den Klimaschutz: „Gerade die Innenstadt gehört den Menschen und nicht den Motoren. Wir geben den öffentlichen Raum ein Stück weit den Menschen zurück.“
Ein Konzept mit zahlreichen Ausnahmen
Auf dem Weg zu diesem Ziel ist eine wichtige Hürde genommen: Der Vorsteher des Wiener Innenstadtbezirks, Markus Figl von der konservativen ÖVP, unterstützt den Vorstoß. Doch Motoren wird es weiterhin viele geben im Zentrum. Denn das Konzept sieht zahlreiche Ausnahmen vor: für Anwohner, Hotelgäste und Lieferdienste zum Beispiel, für Firmenfahrzeuge oder Beschäftigte, die nachts oder frühmorgens arbeiten und die deshalb keine öffentlichen Verkehrsmittel nutzen können. Auch die Zufahrt zu Parkgaragen bleibt möglich.
Experten rechnen nur mit leichtem Rückgang des Autoverkehrs
Der Verkehrswissenschaftler Harald Frey von der Technischen Universität Wien spricht deshalb zwar von einem „sehr guten Ansatz“ – zu einer autofreien Innenstadt werde der aber nicht führen: „Das heißt, dass das Ganze natürlich zu einem Potemkinschen Dorf werden könnte: dass Autofreiheit drinsteht, aber alles andere als das in der Praxis dann stattfindet. Ich gehe davon aus, dass mit den derzeitigen Ausnahmen lediglich fünf bis vielleicht zehn Prozent des Verkehrsaufkommens im motorisierten Verkehr reduziert werden kann.“
Verkehrswissenschaftler Frey bezeichnet die Pläne nur als „Startschuss“. Und plädiert vor allem für bauliche Veränderungen: weniger Parkplätze, eine größere Fußgängerzone, mehr Platz für Radfahrer.
Kritik von Wirtschaftsvertretern und Gewerbetreibenden
Andere dagegen halten generell nichts davon, Autos aus der Innenstadt zu verdrängen. Wirtschaftsvertreter fordern freie Fahrt für alle, die zum Einkaufen ins Zentrum kommen, und auch Sven Koenig sorgt sich ums Geschäft: Er betreibt einen Friseursalon im ersten Bezirk: „Wir als Gewerbetreibende sind darauf angewiesen, dass die Leute in die Stadt kommen, und ich glaube, das nervt dann die Leute schon.“ Rund 80 Prozent seiner Kunden, so schätzt Sven Koenig, fahren mit dem Auto zum Haareschneiden: „Das sind viele, die von auswärts kommen – und die wollen nicht aufs Auto verzichten.“
Verkehrspolitik als Wahlkampfthema
Eher skeptisch äußert sich bisher auch der Bürgermeister der Hauptstadt, Michael Ludwig. Der SPÖ-Politiker will sich das Vorgehen seines grünen Koalitionspartners noch einmal genau ansehen. Verkehrsstadträtin Hebein jedoch beharrt darauf: Ihr „Autofrei“-Konzept soll spätestens bis zum Herbst umgesetzt sein. Denn im Oktober wird gewählt in Wien. Vielleicht wird die Verkehrspolitik ja noch zum großen Wahlkampfthema.