Florin Mitula, Arpad Tecco und Viola Mitula aus Radeln
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Florin Mitula, Arpad Tecco und Viola Mitula, Roma in Radeln/Rumänien

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Vorwürfe gegen Verwalter von Maffays Tabalugahaus

Roma erheben Rassismus- und Gewaltvorwürfe gegen den Verwalter von Peter Maffays Tabalugahaus in Rumänien. Er soll Dorfbewohner rassistisch beleidigt, bedroht, getreten und geschlagen haben. Der Verwalter weist die Vorwürfe entschieden zurück.

Roma als „Zigeuner“ beschimpft?

Nicu Mitula lebt in Radeln, einem abgelegenen Dorf in Siebenbürgen. Die rund 300 Einwohner sind fast alle Roma und wie Nicu Mitula leben die meisten als Hirten oder Tagelöhner. Seit 2009 hat die rumänische Stiftung „Fundatia Tabaluga“ des Musikers Peter Maffay in Radeln ihren Sitz. Sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche können dort Ferien machen. Das Tabalugahaus hat nichts mit der deutschen Tabaluga Kinderstiftung zu tun. Verwalter des Tabalugahauses ist Michael Morth, ein Siebenbürger Sachse aus Deutschland. Er habe die Roma als Zigeuner beschimpft, die nur Kinder machen und nicht arbeiten würden, berichten Dorfbewohner dem ARD Studio Wien. Der Verwalter habe sich als zweiten Hitler bezeichnet. Nicu Mitula erzählt, er sei von Michael Morth beschimpft und geschlagen worden. Sein Neffe Petrica Mitula berichtet ebenfalls von schlechten Erfahrungen mit dem Verwalter des Tabalugahauses: „Er hat mich geschlagen und gesagt, er macht die Sachsenschaukel mit mir, das heißt, er wird mich erhängen. Und als er mich schlug, versuchte ich zu entkommen, aber er hat mich zu fassen bekommen, mich an den Kühlschrank geworfen und auch meine Kleider zerrissen. Ich lag auf dem Boden und er hat mich getreten.“ Diese Szene könne er bezeugen, sagt Ciprian Tinu. Der Tabaluga Verwalter habe ihm Geld angeboten, wenn er darüber schweige. Der 37-jährige war früher eine Art Hausmeister im Tabalugahaus. Michael Morth habe ihm oft geholfen, betont Ciprian Tinu, Roma aber „stinkende Zigeuner“ genannt.

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Nicu Mitula sagt, seit der Tabalugahaus-Verwalter Michael Morth gekommen sei, hätten sie hier keine guten Tage mehr.

"Seit Michael Morth gekommen ist, haben wir hier keine guten Tage mehr. Zum Beispiel wenn wir ins Dorf gehen um Brot zu kaufen und er sieht, dass wie ein bisschen vor dem Laden stehen, dann sagt er: 'Schau die Zigeuner an, die Faulpelze, sie stehen nur herum und betteln.' "

Nicu Mitula (44), sagt, der Tabalugahaus-Verwalter habe ihn beschimpft, auf den Boden geworfen, getreten und geschlagen. Das Ermittlungsverfahren gegen den Verwalter wurde von der zuständigen Staatsanwaltschaft eingestellt.

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Das Türschild des Tabaluga-Hauses in Radeln/Rumänien. Das Ziel: Ferien für benachteiligte Kinder und Jugendliche.

Seit 2009 hat das Tabalugahaus (rumänisch: Fundatia Tabaluga) seinen Sitz in Radeln. Das Ziel: Benachteiligte Kinder und Jugendliche können dort Ferien machen. Das Tabalugahaus in Radeln hat nichts mit der Kinderstiftung in Deutschland zu tun. Der Verwalter Michael Morth bestreitet gegenüber dem ARD Studio Wien alle Vorfälle und Vorwürfe entschieden. "Ich bin kein Rassist und ich übe keine körperliche oder psychische Gewalt aus. ... Es geht darum, Gerüchte über mich in die Welt zu setzen, um mich loszuwerden." Er sei von einem Dorfbewohner bedroht worden, er werde persönlich so enden wie sein Nachname, also "mort" rumänisch für "tot". Ein Weiterer habe gedroht, ihm und Pater Maffay den Kopf einzuschlagen.

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Familie Mitula vor ihrem Haus in Radeln.

Die Familie Mitula vor ihrem Haus in Radeln. Nahezu alle Familienmitglieder erzählen, sie hätten schlechte Erfahrungen mit dem Tabalugahaus-Verwalter gemacht.

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Petrica Mitula: "... er hat mich geschlagen und gesagt, er macht die Sachsenschaukel mit mir."

"Ich bin, wie es Brauch ist, zum Neujahrssingen zu Morth gegangen und er hat mich geschlagen und gesagt, er macht die Sachsenschaukel mit mir. Das heißt, er wird mich erhängen. Und als er mich schlug, versuchte ich zu entkommen, aber er hat mich an der Tür, neben dem Kühlschrank zu fassen bekommen, mich an den Kühlschrank geworfen und auch meine Kleider zerrissen."

Petrica Mitula, 32, lebt in einem Haus nahe dem Tabalugahaus auf engstem Raum, gemeinsam mit rund 25 anderen Familienmitgliedern.

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Ciprian Tinu hat für die Tabaluga-Stiftung gearbeitet. Der Verwalter habe Roma beleidigt, sagt er.

Den Vorfall mit der "Sachsenschaukel" könne er bezeugen, sagt Ciprian Tinu. Der Tabalugahaus-Verwalter habe ihm Geld geboten, wenn e darüber schweige. Tinu hat als Ortskraft mehrere Jahre für die Tabaluga-Stiftung gearbeitet. Der Verwalter habe ihm oft geholfen, aber Roma wie folgt beleidigt: "Ihr habt die Häuser kaputt gemacht, ihr habt die Fenster zerbrochen, ihr habt die Scheunen zerstört, ihr habt die Tore zerstört. Ihr seid stinkende Zigeuner."

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Arpad Tecco sagt, der Tabalugahaus-Verwalter habe gedroht, die Roma müssten wegziehen.

Schräg gegenüber des Tabalugahauses lebt der 68-jährige Arpad Tecco mit seiner Frau. Die Fenster sind kaputt und der Hinterhof liegt voller Schutt. Ihm sei vom Tabalugahaus-Verwalter Michael Morth gedroht worden, die Roma müssten aus Radeln wegziehen.

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Viola Mitula sagt, sie habe Peter Maffay auf die Probleme angesprochen.

Viola Mitula sagt, sie und ihr Mann hätten Peter Maffay im Dorf auf ihre Probleme mit dem Verwalter angesprochen. Maffay sei höflich gewesen, geändert habe sich aber nichts. Für ihre Kinder wünscht sie sich ein besseres Leben:

"Sie sollen eine Chance haben, einen Schulabschluss. Ich wünsche mir, dass sie haben, was nötig ist, ein wenig Ordnung. Dass es ihnen nicht so geht, so wie es uns jetzt geht, wie soll ich sagen, so kümmerlich."
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Petrica Mitulas Vater Aurel erzählt, der Verwalter habe gesagt, er könne Zigeuner nicht ausstehen.

"Er hat gesagt, er kann die Zigeuner nicht ausstehen."

Patricas Vater Aurel ist 58 Jahre alt und beklagt, dass sich der Verwalter auch in Privatangelegenheiten der Dorfeinwohner einmischen würde.

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Florin Mitula erzählt, der Verwalter habe ihm den Hirtenstock weggeschlagen.

"Er ist ein gefährlicher Mensch. Anstatt den Menschen zu helfen, stellt er hier alles auf den Kopf. Einen Bruder von mir hat er übel zusammengeschlagen."

Florin ist ein weiteres Mitglied der verzweigten Mitulafamilie. Den kleinen grünen Hut im Nacken und ein wenig aufgeregt erzählt der 37-jährige Familienvater, der Tabaluga-Verwalter habe ihm den Hirtenstock weg geschlagen und an den Hals gefasst.

Tabalugahaus Verwalter weist Vorwürfe zurück

Der Tabalugahaus Verwalter Michael Morth bestreitet gegenüber dem ARD Studio Wien alle genannten Vorfälle und Vorwürfe entschieden. Schriftlich teilt er mit, er habe Roma nie als Zigeuner beleidigt, getreten, geschlagen, bedroht oder auf den Boden geworfen und nie jemandem Geld angeboten. Den Namen Hitler verabscheue er auf das äußerste. Er lebe seit acht Jahren in einem Dorf mit über 80 % Roma, arbeite gerne mit ihnen zusammen. Dem ARD Studio Wien schreibt er per Mail: „Ich bin kein Rassist und ich übe keine körperliche oder psychische Gewalt aus. Von meiner Seite aus betrachtet, hat das Ganze überhaupt nichts mit Rassismus zu tun. Es geht darum, Gerüchte über mich in die Welt zu setzen, um mich loszuwerden.“ Er sei von einem Dorfbewohner bedroht worden, er werde persönlich so enden wie sein Nachname, also „mort“ rumänisch für „tot“. Ein weiterer habe gedroht, ihm und Peter Maffay den Kopf einzuschlagen.

Peter Maffay stellt sich hinter Tabalugahaus Verwalter

Peter Maffay engagiert sich gegen Rassismus. Dem ARD Studio Wien gibt der Musiker am 9.Oktober 2017, im Tabalugahaus in Radeln ein Interview. Zehn Tage später zieht Peter Maffay das Interview über einen Anwalt zurück. An der Person Michael Morth könne er solche Vorwürfe in keinster Weise festmachen, sagt Maffay. Er würde so etwas nie zulassen, als Stiftung und als Person könne er sich das nicht erlauben. Meinungsverschiedenheiten seien durchaus vorstellbar. Die Arbeit der Stiftung in Radeln sei schwieriger, als er zunächst gedacht habe, sagt Peter Maffay dem ARD Studio Wien. Ein sicherer Platz sei das nicht, es gäbe Pädophilie, Prostitution und einen teilweise rechtsfreien Raum im Dorf. Das habe nichts mit der Stiftung zu tun. Maffay betont, was sich im Dorf schon alles getan habe: Bessere Wasserversorgung, bessere Müllentsorgung , Lern,- und Spielnachmittage für die Dorfkinder oder Arbeit für Dorfbewohner.

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Peter Maffay bei der Verleihung der Buber-Rosenzweig-Medaille (2018): Wir leben in einer Demokratie, in der freie Meinungsäußerung funktioniert.

"Gerade vor dem Hintergrund meiner Herkunft, halte ich mir immer wieder vor Augen, dass wir in einer Demokratie leben, in der freie Meinungsäußerung funktioniert und machbar ist und gefordert ist. In der man keine Angst haben muss, für seine Meinung einzustehen." (Peter Maffay am 11.03.2018 bei der Verleihung der Buber-Rosenzweig-Medaille).

Der Musiker wurde 1949 in Brasov/Rumänien geboren und die Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit ehrte ihn für sein Engagement gegen Rassismus und Antisemitismus.

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Peter Maffay stellte sich im ARD-Interview hinter den Tabalugahaus-Verwalter. (hier bei der lit.Cologne 2018)

Der Musiker Peter Maffay, 68, nimmt den Tabalugahaus-Verwalter in Schutz. An der Person Michael Morth könne er solche Vorwürfe in keinster Weise festmachen, sagt Maffay im ARD-Interview am 9.10.2017 in Radeln. Zehn Tage später zieht Maffay das Interview über einen Anwalt zurück. Der Sänger kommt zwei bis drei al pro Jahr ins Dorf Radeln. Im Umgang mit ihnen sei Maffay höflich und korrekt, erzählen viele Dorfbewohner dem ARD-Studio Wien.

Offener Rassismus in Rumänien Alltag

Ein bis zwei der rund zwanzig Millionen Einwohner Rumäniens sind laut Schätzungen Roma. Der unverhohlene Rassismus der Mehrheitsgesellschaft ist für sie bitterer Alltag. Die meisten sind von Bildung, Gesundheitswesen oder der regulären Arbeitswelt ausgeschlossen. Gerichte und Behörden nehmen Roma oft nicht ernst. Nicu Mitula, sowie weitere Dorfbewohner in Radeln, halten an den Vorwürfen gegenüber dem Tabalugahaus Verwalter fest. Dieser sieht eine Hetzjagd gegen sich. Aktivisten und Journalisten hätten die Dorffamilien verunsichert und zu Streit geführt. Maffay nimmt seinen Verwalter gegen die Vorwürfe einiger Dorfbewohner in Schutz. Nicu Mitula sagt, der Streit mit dem Verwalter des Tabalugahauses habe ihn viel Kraft gekostet: „Die Menschen sagen, du kannst dich halt nicht mit Morth messen. Dich nimmt keiner für voll und ihm wird immer Recht gegeben werden.“ Der Streit im abgelegenen Dorf Radeln in Siebenbürgen, er ist noch nicht zu Ende.

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Jenny Rasche, Leiterin des Vereins "Kinderhilfe Siebenbürgen": "Wir müssen ihnen ihre Würde wieder zurückgeben."

"Wir müssen ihnen helfen, aber wir müssen ihnen ihre Würde zurückgeben (...). Der Rassismus in Rumänien gegenüber Roma ist eine Art Lebensgefühl der Rumänen. Ein unterschwelliges, ständig permanent präsentes Gefühl, das überall ist wo Roma sind."

Jenny Rasche aus Stapelburg in Sachsen-Anhalt leitet den Verein "Kinderhilfe Siebenbürgen", der sich im Landkreis Sibiu um rund 250 Roma-Kinder kümmert. Bildungsferne, Alkoholismus oder Vernachlässigung durch die Eltern sind für die 37-jährige Alltag.

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Nicoleta Bitu, Soziologin: "Es ist normal geworden, sich hässlich gegenüber Roma zu verhalten."

"Rassist zu sein ist schon Normalität und weder Nichtrassisten noch die Roma selbst lehnen sich dagegen auf. Es ist so normal geworden, sich hässlich gegenüber Roma zu verhalten, dass die Menschen nicht mehr reagieren. Das ist das Schlimmste daran."

Die Soziologin Nicoleta Bitu hat Berichte für die Vereinten Nationen und den Europarat verfasst und rumänische Roma-Gemeinden wissenschaftlich begleitet. Die 48-jährige Romni ist der Meinung, dass die Verantwortung für die Situation bei der gesamten Gesellschaft liegt.

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Eugen Vajda, Architekt in Altana, hat ein Projekt in Radeln durchgeführt.

"Wir hatten eigentlich keine Konflikte im Dorf (Radeln, Anm.) und man kann ziemlich gut mit den Leuten da arbeiten. Es gibt soziale Probleme, also unter ihnen kann es ein paar Probleme gegeben haben, wie in jeder Gemeinschaft, aber mit anderen Leuten gab es keine Konflikte."

Eugen Vajda ist Architekt in Altana, deutsch Alzen, und auf traditionelles Renovieren der sächsischen Dörfer in Siebenbürgen spezialisiert. Er ist Vorsitzender der Stiftung Monumentum und führte in Zusammenarbeit mit Dorfbewohnern auch in Radeln Häuserprojekte durch.

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Für Romeo Franz, Europaabgeordneter (Die Grünen), funktioniert Roma-Inklusion nur auf Augenhöhe.

"Wenn Europa, aber auch Deutschland, nur Alibiprojekte und Lippenbekenntnisse tätigt, in Bezug auf Roma-Inklusion, dann sieht es sehr schlecht aus. Es wird nur funktionieren, wenn man die Betroffenen auf Augenhöhe einbezieht."

Romeo Franz, Europaabgeordneter der Grünen und Geschäftsführer der Hildegard Lagrenne Stiftung in Mannheim. Ihr Ziel: Bildung, Inklusion und Teilhabe von Roma und Sinti in Deutschland.