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Gertrude Pressburger meistert ein Leben nach Auschwitz
Halt hoch den Kopf und werde nicht zum Knechte!
Gertrude Pressburger hat als einzige ihrer Familie den Holocaust überlebt. Die heute 90jährige Wienerin wird nach dem Einmarsch der Deutschen in Österreich 1938 mit ihrer Familie von dort vertrieben. Die jüdische Familie ist zwar zu praktizierenden Katholiken geworden und die Kinder sind getauft. Doch nach Nazi Lesart ist die Familie jüdisch. Zusammen mit ihren Eltern und den beiden kleinen Brüdern ist Gertrude Pressburger deswegen fast sechs Jahre auf der Flucht. Immer auf dem Sprung, immer in Angst vor Verrat. Als Flüchtlingskinder können Gertrude und ihre Brüder nur unregelmäßig die Schule besuchen, doch der Vater lehrt sie schreiben und rechnen.
Der Vater ist gelernter Tischler und hält die Familie damit mehr schlecht als recht über Wasser, renoviert Kirchen oder repariert Heiligenfiguren. Die Mutter schrubbt Böden und auch Gertrude hilft mit. Ende 1943 leben die Pressburgers in Norditalien zwar unter dem Hitlerverbündeten Mussolini. Doch systematisch werden Juden erst nach dessen Sturz und dem Einmarsch der Deutschen dort deportiert. Und so kommt die Familie Pressburger im Frühjahr 1944 ins deutsche Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Die Mutter und Gertrudes beide kleinen Brüder werden in der Gaskammer ermordet, wo ihr Vater ums Leben kommt, weiß sie nicht.
Nach Kriegsende landet Gertrude Pressburger in Schweden. Sie übersteht eine Tuberkulose, erholt sich körperlich und findet Arbeit in einer Handtaschenfabrik. Und sie entwickelt den unerschütterlichen Willen, weiter zu leben.
Halt hoch den Kopf und werde nicht zum Knechte.
Eintrag von Gertrude Pressburgers Vater in ihrem Stammbuch
Diesen Satz hat ihr der Vater ins Stammbuch geschrieben und Gertrude Pressburger ist wild entschlossen, ihm gerecht zu werden. Einfach ist das nicht. Gertrude Pressburger hat nicht nur ihre Familie verloren, sondern steht auch ohne Dokumente da und ist völlig mittellos. Ihr zustehende Entschädigung wird sie später nur ein oder zweimal in Österreich beantragen, in Deutschland fragt sie danach nicht.
In Stockholm lernt sie den späteren SPÖ Bundeskanzler Bruno Kreisky kennen, der eine Exilorganisation für Österreicher leitet und ihr zur Seite steht. Sie kehrt nach Wien zurück, doch Überlebende wie sie sind dort nicht willkommen. Österreich ist zwar von den Alliierten befreit worden, doch noch voller NS-Täter und Mitläufer, die Rassismus und Antisemitismus mehr oder weniger ungestört weiter ausleben können.
Erst mit der Affäre um die Nazivergangenheit des österreichischen Bundespräsidenten Kurt Waldheim beginnt in Österreich Mitte der 1980er Jahre die Aufarbeitung der NS-Zeit. Auch Gertrude Pressburger ist bei den Demonstrationen gegen Kurt Waldheim dabei. Ihrer Tochter Christine erzählt sie alles, öffentlich redet sie über ihre Erlebnisse aber nicht.
„Ein Geruch, ein Gespräch, eine Szene, all das kann eine Erinnerung an früher auslösen.“
Gertrude Pressburger
2016 wird die Holocaustüberlebende dann schlagartig bekannt. Denn im polarisierenden Bundespräsidentenwahlkampf bezieht die heute 90Jährige in einem Wahlvideo klar Position: Für den Ex-Grünen Chef Alexander Van der Bellen, gegen den FPÖ-Rechtspopulisten Norbert Hofer. Das Video wird 3,8 Millionen Mal angeklickt und die selbstbewusste alte Dame schreibt als „Frau Gertrude“ Wahlkampfgeschichte.
In dem Buch „Gelebt, erlebt, überlebt“ hat die Journalistin Marlene Groihofer nun die Geschichte von Gertrude Pressburger aufgeschrieben. Das Gesprächsbuch erscheint am 29.01.2018 im Wiener Zsolnay Verlag und wird am 30. Januar von Bundespräsident Van der Bellen präsentiert.
An die alten schwarz-weiß Fotos ihrer Familie kam Gertrude Pressburger wie durch ein Wunder.
Als die Familie Pressburger von Norditalien aus nach Auschwitz deportiert wird, muss sie viele Dinge in dem kleinen Ort Caprino zurücklassen, in dem sie mehr als zwei Jahre gelebt hatten. Nach dem Krieg wird Gertrude Pressburger informiert, dass sie diese Sachen abholen könne, aber sie lehnt ab, da sie kein Geld für eine solche Reise hat. Die Fotos landen im Müll, wo sie jemand fand, der die Familie kannte und so blieben die Fotos erhalten.
Danke für diesen so sorgfältig und respektvoll gestalteten Beitrag!